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Interview: „Unternehmen sind häufig von der Komplexität ihrer Lieferketten erschlagen“

Mitgliedsunternehmen Klimaschutz Lieferkettengesetz

BNW-Mitglied sustainabill ist eine Cloud-Plattform für transparente und nachhaltige Beschaffung. Das Unternehmen ermöglicht verantwortungsvolle Zusammenarbeit zwischen Einkäufer:innen und Lieferant:innen, um Risiken zu managen und so Menschenrechte sicherzustellen und Emissionen zu verringern. Heute nutzen bereits Kund:innen aus der Automobil- und Chemiebranche sowie Retailer und Unternehmen der Lebensmittelindustrie Lösungen von sustainabill. Wir sprechen mit Klaus Wiesen, Geschäftsführer und Mitgründer sustainabill.

Warum habt ihr sustainabill gegründet?
Wir haben sustainabill 2017 mit dem Ziel gegründet, den Schutz des Klimas und der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu etablieren. Die Unternehmensidee basiert auf den Forschungsarbeiten am Wuppertal Institut, wo ich viele Jahre in der Nachhaltigkeitsbewertung geforscht habe. Unser wachsendes Team aus Technologie- und Nachhaltigkeitsexpert:innen vereint der feste Glaube daran, dass die Transformation in eine nachhaltige Geschäftswelt nicht ohne nachhaltige Lieferketten gelingen kann. Wir wollen Teil der Lösung sein, eine nachhaltige Geschäftswelt zu ermöglichen und so eine der größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts zu meistern!

Was sind die größten Herausforderungen bei nachhaltigen Lieferketten?
Die meisten Unternehmen, etwa in der Automobil- oder Chemieindustrie haben eine Vielzahl an Lieferanten, von denen sie eine Vielzahl an Produkten beziehen. Und je tiefer ich in die Lieferkette hineingehe, desto schwieriger und unübersichtlicher wird es. Wir stellen häufig fest, dass Unternehmen von dieser Komplexität erschlagen werden. „Wie kann ich diese Vielzahl an Lieferanten managen?“ ist eine Frage, die wir sehr häufig von Unternehmen hören.

Wie sollten Unternehmen Ihrer Meinung nach vorgehen?
Es ist sehr wichtig, zu priorisieren, welche Warengruppen und Lieferanten in der Lieferkette als erstes angegangen werden sollen. Wir empfehlen dafür einen risiko-basierten Ansatz. Am Ende müssen nicht immer die Lieferanten mit dem größten Einkaufsvolumen stehen, denn Risiken können auch bei sehr günstigen Rohstoffen oder kleinen Lieferanten bestehen. Anfangen sollten Unternehmen dann mit einer kleineren Lieferantengruppe. Mit den erzielten Erkenntnissen lässt sich der Fokus nach und nach ausweiten und auch die vorgelagerte Lieferkette miteinbeziehen - schließlich liegen entscheidende Nachhaltigkeitsrisiken häufig bei der Rohstoffförderung und -verarbeitung. Ganz wichtig dabei ist, in den direkten Austausch mit Lieferanten zu gehen und gemeinsam Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.

sustainabill arbeitet mit großen Firmen wie Volkswagen und Metro zusammen. Ist eine Veränderung der Lieferkettenbedingungen in Richtung Nachhaltigkeit wahrnehmbar? Wenn ja, wie ermittelt ihr diesen Erfolg?
Wir nehmen auf jeden Fall eine Veränderung wahr. Wie stark diese ist, kommt darauf an: Wollen Unternehmen nur gesetzlichen Standards effizient nachkommen oder streben Sie konkrete Verbesserungen an? Wir sehen, dass sich immer mehr Unternehmen konkrete Ziele setzen. Leider dauert die Umsetzung stellenweise allerdings noch sehr lange, weil Nachhaltigkeit nicht immer oberste Priorität hat. Wir leisten mit jedem Lieferanten, der sich über unsere Plattform mit seinen Kund:innen verbindet, einen Beitrag – denn ohne Technologie ist das Management der Lieferkette bereits für klassische Mittelständler kaum zu leisten. Wir beobachten, dass wir mit dem Einsatz der Plattform einen Veränderungsprozess in Gang setzen: So tauschen sich Einkäufer und Lieferanten etwa erstmals zu Nachhaltigkeitsthemen aus, wichtige Prozesse werden bei den Lieferanten angestoßen. Aber auch das Engagement wird sichtbar, welche Maßnahmen fortschrittliche Lieferanten bereits umgesetzt haben. Das wird zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Wann kommt die sustainabill-Plattform zum Einsatz?
Die sustainabill-Plattform kommt zum Einsatz, wenn Unternehmen in die Umsetzungsphase gehen, also bestimmte Risiko-Rohstoffe und relevante Lieferanten für sich identifiziert haben. Dann geht es darum, den Status quo bei Lieferanten zu bewerten, ein Monitoring der Lieferkette zu etablieren, in den direkten Austausch mit den Lieferanten zu gehen und Verbesserungsmaßnahmen zu initiieren. Damit Unternehmen diese Schritte effizient und erfolgreich umzusetzen können, haben wir unsere Cloud-Plattform entwickelt.

Klaus Wiesen kümmert sich um Business Development, Stakeholder-Kommunikation und Kundenprojekte. Bevor er sustainabill mitgründete, war er Teamleiter am Wuppertal Institut, einem führenden Think Tank für Nachhaltigkeit.